Es regnet in
Berlin. Der Potsdamer Platz sieht überhaupt noch nicht nach Berlinale aus,
lediglich auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße bringen Handwerker gerade
die ersten Bärenplakate an. Doch im Untergrund gibt es bereits seit einer Woche
Vorabaufführungen für Journalisten - im Kino Arsenal 1 unten im Keller des Sony
Centers. Die meisten Filme im „Forum“ und einen Tag lang „Perspektive Deutsches
Kino“ habe ich verpasst, weil ich nicht früher fahren konnte.
Meine Berlinale
beginnt nun mit Dokumentarfilmen von Absolventen deutscher Filmhochschulen in der Sektion "Perspektive Deutsches Kino". Ich
finde das Handkameragewackel, die kleinen ungestalteten Bilder und das (meiste)
Gequatsche eher nervig. Das sind Filme fürs Fernsehformat, die brauchen kein
Kino. Aber viele haben eine, letztlich interessante Perspektive, die
Filmemacher und Filmemacherinnen bringen sich selbst intensiv ein: Eine Regisseurin besucht
nach Jahren ihren Bruder, der einem rigiden katholischen Orden beigetreten ist
(„The Best Thing You Can Do with Your Life“), eine Filmemacherin besucht ihre
polnische Verwandtschaft und streitet über rechtspopulistische Politik („Impreza
- Das Fest“).
Anders als bei
der „richtigen“ Berlinale kann man den ganzen Tag lang im gleichen Kino auf dem
gleichen Sitz hocken und muss nicht ständig planen, hin- und herrennen,
anstehen, schubsen, um den Platz kämpfen... Das entspannt ungemein, aber ich
vermisse den immergleichen Berlinale-Vorfilm, in dem sich zu sanfter,
elektronischer Musik goldene Bären aus dem glimmerigen Sternenhimmel bilden (Video).
Am nächsten Tag werden kurze Spielfilme präsentiert, die wie Dokumentationen wirken - aber sie sind cineastisch gleich viel interessanter: Ein Mädchen darf mit ihrem Vater in Nordschweden auf die Elchjagd („Rá“), eine junge Frau befreit sich aus der sexuellen Abhängigkeit von ihrem Vater („Verlorene“). Auch heute wieder viele Filme von Hochschulabsolventen, bei denen wie gestern schon die fremden Sprachen mit deutschen Untertiteln auffallen: Schwedisch, Bosnisch, Polnisch, Spanisch. Die Studentinnen und Studenten sehen und drehen europäisch - „Perspektive Deutsches Kino" beinhaltet im Bewusstsein der Jungen deutlich die europäische Perspektive.
Ansonsten frage
ich mich, wieso junge Filmemacher (etwa der Neukölner Schule) gerne schlampige
Spielfilme mit laienhaft agierenden Akteuren und schlechten, improvisierten
Dialogen fabrizieren, um scheinbare Authentizität zu erreichen. Auf uns arme
Beobachter wird bei dieser Berlinale sicher noch einiges zukommen. Jedoch ein
großartiger Film aus dieser Reihe, in dem alles stimmt, ist „Feierabendbier“ - aber
darüber darf ich erst nach der Premiere auf der Berlinale schreiben.
INFO
Die Berlinale
ist nicht nur der große Wettbewerb, in dem gut zwei Dutzend internationale
Produktionen gezeigt werden. Die dafür ausgewählten Filme kann man nicht vorab
ansehen, wohl aber die etwa 400 Filme aus den zahlreichen weiteren Sektionen:
„Generationen“ (Filme für Kinder und Jugendliche), „Perspektive Deutsches Kino“,
„Panorama“, „Forum“ usw., die parallel zum Wettbewerb laufen.
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