Mittwoch, 31. Januar 2018

Liebe in der S-Bahn - Vor der Berlinale (2)

Paula (Julia Franz Richter) und Mati (Sophie Stockiger)  © NGF/LBF

Auf dem Weg zum Potsdamer Platz. Montagfrüh in der S-Bahn, zwei junge Frauen fangen plötzlich wild an zu knutschen, küssen sich leidenschaftlich. Eine dunkelhäutige Frau mit schwarzen Krisselhaaren und eine blassweiße Frau mit langen rötlichen Wallelocken. Beide trennen sich am Bahnhof Friedrichstraße. In der grauen S-Bahn ein farbenfroher und sinnlicher Abschied wie in einer Filmszene, von der jedoch (scheinbar) niemand Notiz nimmt.
Wenig später sehe ich als ersten Film in der Sektion „Panorama“ den österreichischen Film „L’animale“ von Katharina Mueckstein. Die burschikose, Motorcross fahrende Mati steht kurz vor dem Abitur - ihrer Reifeprüfung - als sie Paula kennenlernt. Sie löst sich aus der aggressiven Jungenclique, in der sie durchaus was zu sagen hat und verliebt sich in die einige Jahre ältere Paula. Aber anders als in der Berliner S-Bahn halten die kümmerlichen Kleinstadt-Machos das gar nicht aus und terrorisieren brutal die beiden Mädchen. „L’animale“ ist ein Film über die Liebe und das Erwachsenwerden und wird auch in der Berlinale-Sektion „Generationen“ gezeigt werden.
Einen Tag lang habe ich letzte Woche in diesem Bereich bereits Kinder- und Jugendfilme gesehen, die sich auf vielfältige Weise mit dem Thema Liebe auseinandersetzen. Sie entsteht behutsam zwischen zwei jungen Menschen in dem sehr langen Road Movie „303“ von Hans Weingartner. Oder die Liebe des 15-jährigen Cobains (im gleichnamigen Film) zu seiner drogensüchtigen, hochschwangeren Mutter ist unerschütterlich, endet aber sehr monströs.
Gut 70.000 meist junge Zuschauer*innen besuchten bei der letzten Berlinale die Reihe „Generationen“, das waren zwanzig Prozent des Gesamtpublikums von 350.000. Eine sensationelle Besucherzahl, wo doch heutzutage die Kids angeblich alle das Kino scheuen. Sensationell auch deshalb, weil die Kids ja Popcorn zum Glotzen brauchen - und das ist auf der Berlinale in allen Kinos verboten. 

Etliche Vorab-Filme der Festspiele werden derzeit im Cinemax gezeigt, in dem ab Mittag noch das normale Kinoprogramm läuft. Man könnte jetzt tatsächlich die Vor-Festspiele mit Popcorn genießen. Aber wer will das schon?

Filmbesprechungen folgen, wenn Sie auf der Berlinale Premiere hatten...


Sonntag, 28. Januar 2018

Filme im Untergrund - Vor der Berlinale (1)


Es regnet in Berlin. Der Potsdamer Platz sieht überhaupt noch nicht nach Berlinale aus, lediglich auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße bringen Handwerker gerade die ersten Bärenplakate an. Doch im Untergrund gibt es bereits seit einer Woche Vorabaufführungen für Journalisten - im Kino Arsenal 1 unten im Keller des Sony Centers. Die meisten Filme im „Forum“ und einen Tag lang „Perspektive Deutsches Kino“ habe ich verpasst, weil ich nicht früher fahren konnte.
Meine Berlinale beginnt nun mit Dokumentarfilmen von Absolventen deutscher Filmhochschulen in der Sektion "Perspektive Deutsches Kino". Ich finde das Handkameragewackel, die kleinen ungestalteten Bilder und das (meiste) Gequatsche eher nervig. Das sind Filme fürs Fernsehformat, die brauchen kein Kino. Aber viele haben eine, letztlich interessante Perspektive, die Filmemacher und Filmemacherinnen bringen sich selbst intensiv ein: Eine Regisseurin besucht nach Jahren ihren Bruder, der einem rigiden katholischen Orden beigetreten ist („The Best Thing You Can Do with Your Life“), eine Filmemacherin besucht ihre polnische Verwandtschaft und streitet über rechtspopulistische Politik („Impreza - Das Fest“).
Anders als bei der „richtigen“ Berlinale kann man den ganzen Tag lang im gleichen Kino auf dem gleichen Sitz hocken und muss nicht ständig planen, hin- und herrennen, anstehen, schubsen, um den Platz kämpfen... Das entspannt ungemein, aber ich vermisse den immergleichen Berlinale-Vorfilm, in dem sich zu sanfter, elektronischer Musik goldene Bären aus dem glimmerigen Sternenhimmel bilden (Video).



Am nächsten Tag werden kurze Spielfilme präsentiert, die wie Dokumentationen wirken - aber sie sind cineastisch gleich viel interessanter: Ein Mädchen darf mit ihrem Vater in Nordschweden auf die Elchjagd („“), eine junge Frau befreit sich aus der sexuellen Abhängigkeit von ihrem Vater („Verlorene“). Auch heute wieder viele Filme von Hochschulabsolventen, bei denen wie gestern schon die fremden Sprachen mit deutschen Untertiteln auffallen: Schwedisch, Bosnisch, Polnisch, Spanisch. Die Studentinnen und Studenten sehen und drehen europäisch - „Perspektive Deutsches Kino" beinhaltet im Bewusstsein der Jungen deutlich die europäische Perspektive.
Ansonsten frage ich mich, wieso junge Filmemacher (etwa der Neukölner Schule) gerne schlampige Spielfilme mit laienhaft agierenden Akteuren und schlechten, improvisierten Dialogen fabrizieren, um scheinbare Authentizität zu erreichen. Auf uns arme Beobachter wird bei dieser Berlinale sicher noch einiges zukommen. Jedoch ein großartiger Film aus dieser Reihe, in dem alles stimmt, ist Feierabendbier - aber darüber darf ich erst nach der Premiere auf der Berlinale schreiben.
INFO
Die Berlinale ist nicht nur der große Wettbewerb, in dem gut zwei Dutzend internationale Produktionen gezeigt werden. Die dafür ausgewählten Filme kann man nicht vorab ansehen, wohl aber die etwa 400 Filme aus den zahlreichen weiteren Sektionen: „Generationen“ (Filme für Kinder und Jugendliche), „Perspektive Deutsches Kino“, „Panorama“, „Forum“ usw., die parallel zum Wettbewerb laufen.